Stangen

Stangen
Da sind sie zu sehen. Die zwei Bügel, die man im Laufe der Operation quer durch seinen Brustkorb bekommt.

Langfristige Ergebnisse der Trichterbrust Operation nach Nuss

Immer wieder kommt es vor, dass mich Betroffene kontaktieren um mir Fragen zu meinen Erfahrungen mit der Trichterbrust Operation zu stellen. Viele fragen mich nach den langfristigen Ergebnissen der Operation. War die Trichterbrust Operation ein Erfolg? Und wie sieht es eigentlich Jahre nach der Operation aus? In diesem Artikel will ich versuchen diese Fragen auf Basis meiner Geschichte zu beantworten.

Mein Weg zur Operation der Trichterbrust

Kurz zu meiner Geschichte: die Trichterbrust war bei mir aller Wahrscheinlichkeit nach angeboren. Genau kann ich es nicht sagen, da man es als Baby noch nicht erkennen konnte. Aber bereits in sehr frühen Lebensjahren konnte man bei mir eine leichte Trichterbrust erkennen, welche durch das Körperwachstum stetig stärker wurde.

Nach einem langen (vor allem innerlichen Kampf) und viel Organisationsaufwand zur erfolgreichen Kostenzusage der Krankenkasse wurde ich schließlich am 02. Febuar 2006 nach der Nuss Methode in Berlin Buch von Prof. Dr. Schaarschmidt operiert. Die Operation verlief im Nachhinein betrachtet vergleichsweise komplikationslos (genaueres dazu findest du in meinen vorherigen Blogartikeln). Ziemlich genau 2 Jahre später wurden dann die 2 Bügel im Februar 2008 wieder entfernt.

Die Zeit nach der Entnahme der Bügel zur Korrektur der Trichterbrust

Ich kann mich noch sehr genau an die erste Zeit nach der Entnahme der Bügel erinnern. Ich hatte damals Angst, dass die Trichterbrust ohne Bügel wieder zurück kommt. Diese Angst war zugegebenermaßen für mich sehr unangenehm. Ich weiß noch genau, dass ich mich damals oftmals fragte ob ich die Operation noch einmal durchführen lassen würde falls die Trichterbrust wieder zurück kommt. Letztlich passierte das jedoch nicht und ich gewann innerlich immer mehr Sicherheit. Unmittelbar nach der Bügelentnahme ist man auf Grund der Schmerzen und der frischen Operation mit Bewegungen noch vorsichtig und überlegt sich jede Bewegung 2-3 mal. Ich weiß noch genau, dass ich stets bemüht war alle Bewegungen so durchzuführen, dass sie den Brustkorb nicht so stark belasten. Was ich da genau tat verstand wahrscheinlich nicht mal ich aber ich bildete mir ein es sei notwendig meine Brust zu schonen. 6 Monate nach der Bügelentnahme war diese Angst des Wiederauftretens der Trichterbrust fast komplett vergessen. Ich war vollständig und bügelfrei wieder in mein Leben zurückgekehrt.

Die Ergebnisse der Trichterbrust Operation: für mich ein voller Erfolg!


Doch wie sieht es nun um die Ergebnisse aus? Schließlich schreiben wir zwischenzeitlich das Jahr 2018 und somit ist meine Operation nunmehr genau 12 Jahre her.
Kurz und knapp: die Ergebnisse sind nach wie vor so wie nach der Operation. Ich lebe ohne Trichterbrust und glaube heute auch nicht mehr, dass diese nochmal zurückkommt.

Sicherlich hat sich mein Brustkorb in den vergangenen 12 Jahren geändert. Und sicherlich würde man bei einem 1:1 Vergleich meiner Brustbeins, der Rippen usw. den ein oder anderen Unterschied feststellen. Das ist jedoch völlig normal, da sich der menschliche Körper, Knochen und das Gewebe nunmal verändern. Außerdem habe ich die letzten 12 Jahre teils intensiven Kraftsport getrieben. Auch das hat mein körperliches Erscheinungsbild nachhaltig geändert. (Ex-)-Trichterbrust-Betroffenen kann ich gesunden Kraftsport ohnehin nur schwerstens ans Herz legen (aber das ist ein anderes Thema). Eine Trichterbrust habe ich bis heute nicht mehr und jeder objektive Betrachter erachtet meine Brust vermutlich als normal.

Anders steht es um die Narben. Bei mir sind die Narben rechts und links immernoch klar und deutlich zu erkennen. Ich habe eine eher schlechte Wundheilung (schon öfter beobachtet) und gehe davon aus, dass man bei mir die Narben unter anderem deshalb noch stärker sieht als bei anderen Menschen. Außerdem wurde eine meiner Narbe (linke Seite) im Rahmen der Bügelentnahme mehrmals geöffnet und genäht. Hintergrund war eine Entzündung des Gewebes (siehe dazu meine anderen Posts). Ich denke, dass auch aus diesem Grund die betroffene Narbe noch immer zu erkennen ist.

Kommen wir zum Taubheitsgefühl: bereits Operierte kennen es! Nach der Operation haben die meisten ein Taubheitsgefühl im Brustkorb. Dieses tritt vor allem an den Bügelaustrittsstellen und an den Stellen auf wo der Bügel unter der Brust, Rippen und Brustbein verläuft. Dieses Taubheitsgefühl ist bei mir bis heute noch da. Also auch 12 Jahre nach der Operation der Trichterbrust tritt es noch auf. Keine Frage: es ist nicht mehr so stark wie anfangs. Aber gemessen an der doch recht langen Zeit von 12 Jahren ist es doch noch ein recht prägnantes Überbleibsel der Operation. Ich kann mir bis heute in die Brust zwicken (an manchen Stellen) und spühre an den entsprechenden Stellen kein bzw. kaum Schmerz :) Offengestanden stört das mich kaum. Im Gegenteil ich habe mich gut damit angefreundet und merke es im Alltag eigentlich kaum.

Komme wir abschließend noch zur psychischen Seite: vor allem Betroffene kennen den Leidensdruck. Bei manchen ist er stärker, bei anderen schwächer. In jedem Falle kenne ich kaum Betroffene, welche nicht darunter leiden. So war es auch bei mir. Das Leben ohne Trichterbrust unmittelbar nach meiner Operation 2006 hat sich für mich nachhaltig verändert. Das habe ich bereits in den Blogatrikeln aus der damaligen Zeit geschrieben. Die Einstellung zum Leben, mein Selbstwertgefühl und noch viele weitere Bereiche haben sich nach der Operation wirklich drastisch verändert. Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben. Das ist aber sicherlich individuell. Heute bin ich froh, dass ich den Schritt damals gint. Auch wenn es nur noch ganz dumpf in meinem Hinterkopf ist, aber das Gefühl, welches ich damals mit Trichterbrust hatte werde ich nicht vergessen. Und offengestanden vermisse ich es auch nicht.

Jetzt bist du dran...

Wie sehen deine Trichterbrusterfolge in der Langfrist aus? Hast du andere Erfahrungen gemacht? Ich freue mich auf deine Kommentare, Anregungen und Fragen.

Versuch einer Selbstreflektion



‚Hat sich die Operation gelohnt?‘ Fragen dieser Art kann man sich im Nachhinein als Operierter nur dann stellen wenn man sich bewusst für eine Operation entschieden hat, wenn man sie geplant und vorbereitet hat. Verletze aus Verkehrsunfällen, der vom akuten Herzinfarkt Betroffene oder der Beinbruch eines Sportlers sind Beispiels von ‚Operierten‘ welche keine andere Wahl hatten. Sie haben sich nicht für eine Operation entschieden, sie geplant oder gar vorbereitet.
Es ist eine schwierige Frage, die mich seit der Operation immer wieder auf unterschiedliche Art einholt. Meist tritt sie zu Tage wenn man sie nicht erwartet. Es sind oft die Momente der Besinnung, der Ruhe und Entspanntheit, in denen der Mensch für kurze Zeit sich aus der Hektik des Alltags lösen kann um völlig zeitlos und bedingungslos das zu tun was wir heute unter ‚reflektieren‘ verstehen. Diese Momente bieten mir immer wieder den Platz über vergangene Entscheidungen nachzudenken, sie zu bewerten und sie unter verschiedenen Aspekten betrachten.
Woran soll man es fest machen? Wie kann man die Frage ob es sich gelohnt hat denn überhaupt beantworten? Kann man es messen? Vielleicht in Geld? In der Finanzökonomie spricht man in diesem Zusammenhang häufig von der Vorteilhaftigkeit einer Investition. Hat sich die Investition in meinen Körper gelohnt? Aus wessen Sicht denn eigentlich ‚gelohnt‘? Vielleicht aus Sicht der Krankenkasse? Während ich zeitlos reflektiere überkommt mich folgender Sachverhalt. Wenn man meine ‚Krankenakte‘ seit Beginn des Lebens bis heute statistisch und qualitativ auswerten würde, könnte man dadurch zumindest für meinen Fall erkennen, dass sich die Operation rein monetär betrachtet aus Sicht der Kasse gelohnt hat? Ich war seit Kindheit bis zum Zeitpunkt der Trichterbrustoperation auffallend häufig von Atemwegserkrankungen betroffen. In der Herbst- und Winterzeit war es im Prinzip ein ständiger Rhythmus aus ‚krank werden‘ und ‚gesund werden‘. Der Bereich der Bronchen war davon stets betroffen. Dementsprechend war ich oft in hausärztlicher Behandlung. Es war in den letzten Jahren vor der Operation meist so, dass meine chronische Bronchitis nur noch unter Einsatz von Antibiotikabehandlung ‚geheilt‘ werden konnte. Seit der Trichterbrustoperation in Jahr 2004 nahmen meine Leiden mit den Bronchen immer mehr ab. Ich bekam im weiteren Verlauf bis heute niemals mehr Antibiotika zur Behandlung von Bronchitis.
Auch hatte ich vor der Operation stets eine krumme Haltung. Die Schultern, letztlich auch als Spiegelbild der inneren Haltung, waren stark nach vorne eingefallen. Jeder, der einmal einen Bügel quer durch seinen Brustkorb geschoben bekommen hat, fein akkurat unter dem vorher gebrochenen Brustbein sowie Rippen verlaufend, kann bestätigen, dass spätestens dann Schluss ist mit krummer Haltung. Ich hatte damals direkt nach der Operation das Gefühl ‚frisch gespannt‘ zu sein, regelrecht ‚verbogen‘. Noch etwas ungewohnt, aber man begann sich zunehmend an das neue Körpergefühl zu gewöhnen. Ich war damals nach der Operation tatsächlich auch etwas ‚größer‘ als vorher.
Im Sport war ich vor dem Trichterbrusteingriff im Vergleich zu Gleichaltrigen meist etwas schwächer. Auch mit Übung stellte sich bei mir immer ein deutlich bemerkbarer Konditionsnachteil heraus. Aus solchen körperlichen Leiden entstehen dann oftmals auch psychische Nebeneffekte. Dadurch, dass man keine Kondition hat verliert man zunehmend die Lust am Sport. Dies hat dann langfristig auch wieder ungünstige Nebeneffekte auf die Gesundheit. Denn, dass Sport kein Mord ist sollte heute jeder wissen! Die Bronchitis hatte oftmals zur Folge, dass ich nicht am Schulunterricht teilnehmen konnte. Nicht nur dass man den Schulunterricht verpasst. Man nimmt für diese Tage nicht am gesellschaftlichen Leben teil. Man fühlt sich so wie man ist. Krank.
Man könnte jetzt die Kosten der Operation den zukünftigen Minderkosten gegenüberstellen, welche die Krankenkasse nicht mehr aufwenden muss um mich zu heilen. Es handelt sich dabei um Opportunitätskosten. Kosten, welche dadurch entstünden, dass ich eben nicht operiert worden wäre. Also die jährlichen Ausgaben für Antibiotikabehandlung chronischer Bronchitis. Ausgaben der Krankenkasse für Rückenschulen und Physiotherapie zur Korrektur der Körper- und Rückenhaltung. Kosten, die unter Umständen in meinem späteren Lebensverlauf dadurch entstanden wären, dass ich eben nie operiert wurde.
Schnell wird mir klar, dass all diese Versuche der monetären Bemessung zum Scheitern verurteilt sind. Schließlich wird man nie sagen können, was passiert wäre wenn man sich nicht operiert hätte. Welche Folgen es gehabt hätte. Welche Sekundärerkrankungen sich im Laufe meines Lebens geäußert hätten. Es handelt sich wie so oft im Leben um ein ‚With-or-without‘ Problem. Dadurch, dass man sich historisch für eine Alternative entschieden hat (zugunsten einer anderen) kann man die andere, die Opportunität niemals beurteilen.
Ein weiterer Zugang zur Beantwortung der Frage, völlig losgelöst von geldwerten Vorstellungen, finde ich schließlich in mir selbst. ‚Hat sich die Operation gelohnt?‘ Ich stelle fest, dass es im Wesentlichen drei Faktoren waren, die mich vor der Operation antrieben eben jene zu planen und organisieren: Außerwahrnehmung, Innenwahrnehmung, medizinische Unwissenheit!
Erstens, war da die ‚Außenwahrnehmung‘. Bis heute lese ich regelmäßig in Foren wie diesen, auch wenn ich mich nicht mehr aktiv ins Geschehen begebe. Ich stelle immer wieder fest, dass viele Betroffene offensichtlich darunter leiden, wie sie von Dritten wahrgenommen werden. Ihnen ist von großer Bedeutung, wie der Freundeskreis, die besten Kumpels oder die neue oder gar erste Liebe über ihre Trichterbrust urteilen. Es hat den Anschein, dass die Wenigsten selbst eine eigenständige Meinung und Einstellung oder gar Überzeugung von und zu ihrer Trichterbrust haben. Und an diesem Punkt kommen wir zu Faktor zwei: die ‚Innenwahrnehmung‘. Ich glaube sagen zu können, dass ich meine Trichterbrust eigentlich gemocht habe. Nicht dass ich sie hübsch fand. Nein, aber ich habe mich selbst immer versucht zu akzeptieren wie ich bin, so wie mich Gott geschaffen hat. Wie andere Jugendliche fand auch ich es im Sommer unglaublich schön, mein T-Shirt auszuziehen, in das kühle Wasser eines Sees oder gar des Meeres zu springen und darin zu baden. Auch ich habe mit Trichterbrust meine ersten sexuellen Erfahrungen gemacht. Und ganz ehrlich, es war bestimmt nicht schlechter als mit ‚ohne Trichterbrust‘. Bleibt eine Frage: Wenn ich mit mir im ‚Reinen‘ war, wenn es nicht meine ‚Innenwahrnehmung‘ war, warum habe ich mein T-Shirt niemals ausgezogen? Warum habe ich mir so selten im Sommer eine frische Abkühlung im Schwimmbad gesucht? Warum, habe ich mich vor anderen, vor Kumpels und vor Mädchen geschämt? Man kann es drehen, wie man will: Es läuft spätestens an diesem Punkt wieder auf die ‚Außenwahrnehmung‘ hinaus.
Ich stelle fest, dass die psychischen Leiden eines Trichterbrustbetroffenen in der Regel durch ein Zusammenspiel von Selbstwahrnehmung sowie der Außenwirkung Dritter bestimmt sind. Wir leben nach Vorbildern, verfolgen Ideale und auch Vorstellungen von Schönheit und Ästhetik. Die Medien sind ein Paradebeispiels dafür, wenn es darum geht solche Ideale über Schönheit und Ästhetik in den Köpfen der Gesellschaft und auch Einzelner zu manifestieren. Jeden Tag illustrieren sie uns auf beeindruckende Art wie man zu sein hat, was normal ist, was unnormal ist. Wir denken in Schubladen, denken binär in Schwarz und Weiß ohne dabei die Schönheit der Graustufen und die Besonderheit kleiner Nuancen zu erkennen. Es gibt Schwarz und Weiß, Schönheit und abgrundtiefe Hässlichkeit, Intellekt und Dummheit sowie Reiche und Arme. Wir wollen normal sein, wollen durchschnittlich sein, wollen so sein wie jeder ohne dabei zu berücksichtigen, dass keiner so ist wie der andere. Jeder der im Durchschnitt ist der ist dann ‚normal‘. Und was ist mit den anderen, was ist mit den Menschen, die nicht diesen Durchschnitt anstreben? Die nennen wir dann ‚unnormal‘. Ich sage: sie sind nicht unnormal sondern etwas ganz besonderes. Wenn ich den ganzen Tag zu Hause bin ziehe ich normale Kleidung an und wenn ich mal abends auf einen Geburtstag, eine Party oder ins Theater gehe, dann ziehe ich etwas ‚besonderes‘ an. Mit Sicherheit nichts ‚unnormales‘.
Ich werde die anfangs aufgeworfene Frage niemals final beantworten können. Jedoch will ich an dieser Stelle ein paar Fakten zu meinem Leben seit der Trichterbrustoperation nennen (wir sprechen über einen Zeitraum von ca. 7 Jahren):
Seit der Operation leide ich nicht mehr unter chronischer Bronchitis, insgesamt ist mein Immunsystem wesentlich stärker geworden. Ich bin nicht mehr so häufig krank, was sicherlich auch auf meine innere Einstellung und Haltung zurückzuführen ist. Ich bin wesentlich leistungsfähiger geworden, sowohl im sportlichen Umfeld als auch in Bereichen des Lernens und des Konzentrierens. Im Studium bringe ich so gute Leistungen wie noch nie zuvor in meiner Schullaufbahn. Ich habe Lust am und auf Sport. Ich mache regemäßig Krafttraining, laufe ab und an gerne. Ich habe meine Leidenschaft zum Kitesurfen entdeckt und genieße es auch dort mich ohne T-Shirt zeigen zu können. Ich gehe offener und impulsiver auf Menschen zu. Bin selbstsicherer und strahle dies auch aus. Ich komme schneller mit Menschen ins Gespräch und kann meinen Standpunkt deutlich besser vertreten. Ich habe keine Scheu mehr, meine neue Körperhaltung signalisiert mehr Sicherheit. Ich liebe meinen Körper zwar nicht mehr oder weniger als zuvor, aber ich finde ihn viel schöner!
Während meiner Reflektion, während ich immer noch zeitlos dahinschweife kommt mir ein Gedanke: Warum hast du dich eigentlich niemals bedankt? Bedankt? Bei wem eigentlich? Bei dem Chirurgen? Bei der Krankenkasse? Ich stöbere in meinen verstaubten Unterlagen der Operation aus dem Jahre 2006. Der erste Briefkontakt zur Kostenübernahme fand bereits in 2005 statt. Ich überfliege den Schriftverkehr aus der damaligen Zeit: Lungenfunktionstest, CT, MRT, EKG, MDK, blablabla!
Ich bekomme das Bedürfnis mich zu bedanken wie noch niemals. Ich erinnere mich an die Sachbearbeiterin der Krankenkasse mit welcher ich damals so viel telefoniert habe, welche ich versuchte zu überzeugen, welche ich beredete und auch anflehte. Ich suche ihren Namen und ihre Telefonnummer aus dem Schriftverkehr aus 2005 heraus und frage mich: „Hat sich bei dieser Frau schon mal jemand dafür bedankt was sie tat?“ Wohlwissend dass es nicht sie alleine war, welche die Frage der Kostenübernahme entschieden hat verspüre ich das Bedürfnis mich bei ihr zu bedanken. Auch wenn ich damit alleine stehe, auch wenn das nicht durchschnittlich und somit unnormal ist.
Ich finde mich am Telefon und wähle die damalige Nummer und hoffe, diese Frau dort zu erreichen. Nach kurzem Klingeln spricht eine freundliche Frauenstimme in den Hörer. Ich erkläre ihr, dass ich Versicherter bin und dass wir im Jahre 2005 viel Kontakt wegen einer Trichterbrustoperation hatten. Stille! Stille! Stille! Schnell merke ich, dass diese Dame schon jetzt etwas überfordert war und erkläre ihr daher, dass es vielleicht etwas verrückt sei, aber, dass ich mich nur bei ihr bedanken wollte. Bedanken dafür, dass sie mir ein neues Leben geschenkt hat. Ich erzähle ihr von der damaligen Zeit und merke, dass sie emotional sehr gerührt war. Ich wusste, dass ich ihr in diesem Moment etwas zurückgeben konnte. Anerkennung für ihren Job, Dankbarkeit sowie ein tiefes Gefühl der Verbundenheit. Der Abschluss des Gespräches war etwas komisch. Wir hatten zwischenzeitlich etwas länger telefoniert als ich sagte: „Dann sollten wir jetzt vielleicht aufhören. Wir kennen uns nicht, wissen nicht wie wir aussehen und werden vermutlich auch nie mehr wieder etwas voneinander hören. Es war mir gerade wichtig ihnen das zu sagen.“. Ich merkte, dass wir uns beide schwer taten das Gespräch zu beenden. Ich merkte, dass dies eine Situation war, welche nicht den beruflichen Alltag dieser Dame abbildete. Ich merkte dass dies eine besondere, vom Durchschnitt abweichende Situation für uns beide war. Ich merkte, dass es gut war was ich tat.
Als das Gespräch beendet war überkam mich ein Gefühl von Glück. Ich war mir sicher, dass es einen Sinn hatte warum ich diese Frau genau heute angerufen habe. Vielleicht brauchte auch sie heute jemand. Vielleicht hatte sie ja Ärger mit dem Vorgesetzen, vielleicht hatte sie schon wieder das zigste Gespräch mit unzufriedenen Versicherten geführt, welche sich nur über sie aufregen. Ich war mir sicher, dass es eine Bedeutung hatte, deren Tragweite meine Vorstellungskraft überstieg und beschloss mir etwas zu kochen. Vielleicht würde ich es ja heute noch ins Training schaffen. Ein ganz durchschnittlicher Tag eben…

Fragen, die Zweite!

Immer wieder kontaktieren mich Betroffene und erfragen meine Erfahrungen mit der Operation. Gerade in den letzten Tagen führte ich mit einem "Kurz-vor-der-Operation" stehenden öfters Dialoge über ICQ & Co.

In derartigen Gesprächen erinnere ich mich immer wieder an meine Operation. Es ist erstaunlich, ich bin geradezu über mich selbst verwundert, wie sehr das Gehirn diese Erinnerungen im Alltag ausblendet. Was ich damit sagen will: Die Tatsache, dass ich seit 4 Jahren keine Trichterbrust mehr habe, nehme ich inzwischen als völlig selbstverständlich hin. Nur noch selten erinnere ich mich an die Operation, nur noch selten erinnere ich mich an die Zeit vor der Operation. Es war jene Zeit, in der ich mich auf die Operation vorbereitete, die Zeit, in der ich glaubte mit Trichterbrust kein glückliches, erfülltes Leben zu führen. Es waren die Zeiten, in denen für mich die Sommermonate die Schlimmsten des Jahres waren, weil ich ständig das Gefühl hatte etwas verbergen zu müssen - mich nicht traute oberkörperfrei ins Schwimmbad zu gehen bzw. wenn ich es einmal tat mich sehr unwohl dabei fühlte.

Rückblickend kann ich sagen, dass für mich eine Operation der einzige Weg war - auch aus gesundheitlichen Gründen. Ich erinnere mich noch genau daran wie "schlimm ich das Leben empfand" - letztlich kann ich aber bis heute nicht wirklich sagen "warum". Warum richtete ich mein "Glück", meine ""Zufriedenheit" nach der Trichterbrust aus?

Manchmal glaube ich (auch wenn ich dies nicht ganz sicher sagen kann), dass "ICH" mit der Trichterbrust eigentlich hätte leben können. Mir machte dieses "Loch" nichts aus - ich schämte mich schließlich nicht vor mir selbst. Nein, ich schämte mich vor anderen, ich schämte mich vor der Gesellschaft, vor den Schönheitsidealen die diese prägten und die uns täglich suggeriert wird. Ich will damit nicht sagen, dass die Gesellschaft an meinem Leiden "schuld" war - dies wäre nicht gerecht (denn schließlich ist diese auch nur ein Opfer) - dennoch will ich sagen, dass dort das zentrale Motiv meiner Unzufriedenheit mit der Trichterbrust lag - nicht bei mir selbst!

Hätte ich ein autarkes Leben auf einer einsamen Insel à la Tom Hanks "Cast away" geführt hätte ich mich dort, abgesehen von dem Umstand, dass ein einsames Leben ohne andere Menschen sehr langweilig wäre und demnach eh keine Ärzte zum operieren zur Verfügung stünden, niemals operieren lassen.

Und wieder merke ich, wie glücklich ich darüber bin keine Trichterbrust mehr zu haben. Was wenn ich niemals die Chance gehabt hätte ... ich kann es mir gar nicht vorstellen!

Der Kampf mit der Krankenkasse

Seit mich ich zu einer Operation (definitiv) entschlossen habe ist folgendes pasiert:

1. Als erstes habe ich ein Gutachten eines Psychologen an die TKK geschickt. Was da so drin stand wird sich wohl jeder ungefähr denken können. Dieser Antrag wurde von der TKK abgelehnt. Begründung: "Es handelt sich hierbei offensichtlich lediglich um einen kosmetischen Eingriff". (Auch wenn ich der Meinung bin, dass selbst wenn eine Operation "nur" aus kosmetischen/psychischen Gründen erfolgt es nicht einfach als "Schönheits-OP abzustempeln ist. Es ist für mich eine deutliche Aufwertung der Lebensqualität. Nicht umsonst bin ich seit längerer Zeit (5 Jahre) bei einem Psychologen wegen der TB.
Ist eine Brustvergrößerung eine Schönheits-OP? Für mich eindeutig ja. Anders wäre das aber wenn die betreffende Frau seit beginn der Pubertät nur eine Brust hätte und gerne noch ne zweite hätte (blödes Beispiel ich weiß). Das ist keine Schönheits-OP. Da ist grundsätzlich etwas anders/falsch am Körper, was zu schweren psychischen Krankheiten führen kann.)

2. Anschließend war ich zu einem Gespräch im Klinikum Mannheim. Das von dort geschriebene Gutachten (ich habe es selbst nie gesehen) reichte der Krankenkasse offensichtlich auch nicht aus. Wobei ich dazu sagen muss dass ich mit Mannheim nicht zufrieden war... wenn das Gutachten genauso war wundert mich die Absage der KK nicht.

3. Am 29.8 war ich dann endlich mal bei Prof. Dr. Schaarschmidt in Berlin. Ich war mit seiner Behandlung sehr zufrieden. Er hat sich viel Zeit genommen und machte auf mich einen sehr kompetenten Eindruck. Laut ihm habe ich einen "recht ausgeprägten Befund". Sein Gutachten habe ich inzwischen erhalten und eine Kopie davon an die Krankenkasse geschickt und gleichzeitig Wiederspruch eingelegt. Der Fall wird jetzt nochmal geprüft. Kann aber bis zu 3 Wochen dauern. Um der KK mehr Druck zu machen habe ich zusätzlich ein Gutachten meines Hausarztes nachgeschickt, der ebenfalls zu einer Operation rät und schildert, dass er die von mir und Prof. Dr. Schaarschmidt auf Grund meiner Akte bestätigen kann.
Diese beiden Gutachten (Berlin und Hausarzt) liegen also momentan zur Prüfung bei dem MDK der TKK.

Ich habe irgendwie die Befürchtung, dass das Ergebnis dieser Prüfung wieder negativ für mich ausgeht. Und dann gibt es im Prinzip nicht mehr viele Möglichkeiten. Prof. Schaarschmidt erklärte sich zwar bereit im dringenden Fall telefonisch mit der TKK zu sprechen, aber ich weiß nicht ....

Wenn das alles nicht klappt bleibt mir eigentlich nichts mehr übrig außer mich zu verschulden (wenn ich die OP will, und das will ich).

Aber ich denke mir gleichzeitig, dass dieser Antrag nicht abgelehnt werden KANN. Denn die TKK wollte nach meinem ersten "psychologisch-bedingten" Antrag eine "Bestätigung über die medizinische Notwendigkeit". Sowohl Prof. Dr. Schaarschmidt als auch mein Hausarzt haben dies in Ihren Schreiben erklärt.
Eigentlich sollte die KK doch dann zahlen...?!?!?!?

Übrigens: Meine TB ist ca. 9,5 cm tief! Ich habe in Berlin Patienten kennegelernt, die mit weitaus weniger Trichtertiefe operiert wurden und die Kostenzusage erhalten haben.

Was haben die nur mit mir?Huch
So, dass war die ganze Geschichte. Ich hoffe jeden Tag einen positiven Bescheid von der KK zu bekommen. Was ist wenn ich diesen nicht bekomme...darüber will und kann ich gar nicht nachdenken!!!